Hintergrundinformation

Deutschland

Für Microcystin-LR gibt die in 2021 revidierten EU Trinkwasserrichtlinie (2021) nunmehr einen Grenzwert von 1 µg/l an, und dies ist bis 2023 in nationales Recht zu überführen. Entsprechend wird auch ein Maßnahmehöchstwert abzuleiten sein. Dabei wird der WHO Trinkwasser-Richtwert von 12 µg/l für kurzzeitige Exposition (täglich für max. 2 Wochen) zu berücksichtigen sein, auch wenn er auf einer anderen Ableitung beruht als der, die für die Maßnahmenhöchstwerte üblicherweise angewendet wird.

Bis dahin und auch für andere Cyanotoxine gilt für Deutschland nach der Trinkwasserverordnung:

Grundsätzlich dürfen im Trinkwasser chemische Stoffe nicht in Konzentrationen enthalten sein, die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen (§6, Absatz 1). Ferner sind bei der Wassergewinnung nach Wasserhaushaltsgesetz, der Wasseraufbereitung nach Trinkwasserverordnung §4 und der Trinkwasserverteilung die allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten. Auch ist nach §20, Absatz 1, Nr. 4 das Gesundheitsamt befugt, die Untersuchungen auszudehnen oder ausdehnen zu lassen zur Feststellung, ob andere als die in den Anlagen 2 und 3 genannten Parameter in Konzentrationen enthalten sind, die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen.

Aufgrund des hohen Anteils an Versorgung aus Grundwasser oder Uferfiltrat (rund 80 % der Bevölkerung) und der meist gut geschützten und wenig eutrophen Talsperren hat Deutschland auf einen Grenzwert für Microcystine in der Trinkwasserverordnung verzichtet, und auch für Cylindrospermopsin und die Neurotoxine besteht aufgrund der bislang eher geringen Befunde kein Regulationsbedarf. Die Einhaltung der WHO Richtwerte für Cyanotoxine gilt jedoch als Bestandteil der guten fachlichen Praxis; sie definieren eine Konzentration, die erforderlichenfalls in der Umsetzung von §6, Absatz 1 Trinkwasserverordnung verwendet werden kann.

International

Weltweit wurden bislang in verschiedenen Ländern in Anlehnung an die WHO-Empfehlung Grenzwerte für Microcystine in die Trinkwasserregularien aufgenommen (z.B. Kanada, Australien, Korea, Brasilien). Die EU Trinkwasserrichtlinie von 2021 hat den WHO-Richtwert von 1 µg/L für Microcystin-LR aufgenommen und damit müssen die Mitgliedsstaaten diesen Wert in nationale Gesetzgebung überführen. Einige EU-Länder wie z.B. Frankreich, Norwegen, Spanien, Tschechische Republik haben aufgrund des ausgeprägten Vorkommens von Cyanobakterien im Rohwasser der Trinkwasserversorgungen seit längerem den WHO-Leitwert von 1 µg/l übernommen.

Zudem haben manche Länder auch Höchstwerte für Cylindrospermopsin und die Neurotoxine in ihren Trinkwasserregularien festgelegt, z.B. Brasilien 15 µg/l für CYN und 3 µg/l für STX (Summe aller Varianten). In Neuseeland sind nahezu alle bekannten Cyanotoxine über MAVs („Maximum Acceptable Value“) geregelt: für Nodularin, CYN, ATX-a(S) je 1 µg/l, 3 µg/l für PSPs, STX gilt 6 µg/l für ATX-a und 2 µg/l für HATX-a.

Deutschland

Für Badegewässer regelt Artikel 8 “Gefährdung durch Cyanobakterien” der EU Badegewässerrichtlinie die Vorgehensweise um eine Exposition gegenüber Cyanobakterien und Cyanotoxinen zu minimieren:

1. Deutet das Profil des Badegewässers auf ein Potential für eine Massenvermehrung von Cyanobakterien hin, so wird eine geeignete Überwachung durchgeführt, damit Gefahren für die Gesundheit rechtzeitig erkannt werden können.
2. Kommt es zu einer Massenvermehrung von Cyanobakterien und wird eine Gefährdung der Gesundheit festgestellt oder vermutet, so werden unverzüglich angemessene Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Vermeidung einer Exposition gegenüber dieser Gefahr ergriffen, einschließlich der Information der Öffentlichkeit.

Das Badegewässerprofil (Annex III der Richtlinie) erfordert eine detaillierte Beschreibung des Badegewässers einschließlich der Erfassung und Bewertung aller Verschmutzungsursachen, die das Badegewässer und die Gesundheit der Badenden beeinträchtigen könnten (z.B. Einleitung von Abwässern). Zudem wird für die Erstellung des Profils die Bewertung der Gefahr des Massenvorkommens von Cyanobakterien und Makroalgen/Phytoplankton explizit gefordert.

Diese Richtlinie gilt in Deutschland direkt und wird von den Bundesländern umgesetzt. In Bezug auf Cyanobakterien/Cyanotoxine unterstützt sie dabei die Empfehlung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Badewasserkommission aus dem Jahr 2015. Diese Empfehlung schlägt ein mehrstufiges Überwachungsschema des Cyanobakterien-Vorkommens vor, basierend auf Biomasse (auch als Chlorophyll-a) und mikroskopischer Untersuchung vor. Bezüglich der Cyanotoxine wird davon ausgegangen, dass bis zu 30 µg/L Microcystine (und auch anderer Toxine wie Cylindrospermopsin oder Anatoxin-a) vorübergehend akzeptiert werden können, wenn die Badegäste hinreichend über das Risiko informiert sind. Allerdings ist die Untersuchung auf Microcystine und andere Toxine explizit optional; bereits bei hohem Cyanobakterienvorkommen sollten i.d.R. Maßnahmen erfolgen (es sei denn, die Ergebnisse einer Toxinuntersuchung geben Anlass zur teilweisen Entwarnung).

Die Anfang 2021 veröffentlichten WHO-Richtwerte für Cyanotoxine in Badegewässern werden die in Deutschland etablierte Praxis voraussichtlich nur geringfügig verändern, denn meist wird bereits aufgrund der Cyanobakterienbiomasse gehandelt. Die dem WHO Richtwert sowie der UBA-Empfehlung zugrundeliegende Relation von Microcystinen zu Cyanobakterienbiomasse stellt jedoch eine grobe Schätzung dar, beruhend auf den oberen Bereich der im Freiland für diese Relation gefundenen Werte. Sie ist somit sehr konservative und überschätzt in den allermeisten Fällen die tatsächliche Microcystinkonzentration.
Für Cylindrospermopsin sowie die Saxitoxine entsteht durch die neuen WHO Richt- bzw. Leitwerte eine neue Situation. Allerdings zeigen die bisher aus Deutschland vorliegenden Daten, dass diese Cyanotoxine zwar vorkommen, jedoch sehr selten in hohen Konzentrationen. Daher dürfte es ausreichen, bei massivem Vorkommen der potenziell diese Toxine produzierenden Arten gelegentlich gezielt auf diese Toxine zu untersuchen, um sicherzugehen, dass die WHO Richtwerte eingehalten sind.

International

Bezüglich der Cyanobakterien-/Cyanotoxinproblematik in Badegewässern haben etliche Länder ein mehrstufiges Überwachungsschema implementiert, basierend auf dem Cyanobakterienbiovolumen bzw. der Zellzahl oder Chlorophyll-a als Maß für die Biomasse und manchmal auch der Toxinkonzentration. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Schwellwerte der Biomasse und/oder Toxinkonzentration (Microcystin) für die einzelnen Warnstufen, wobei die höchste Warnstufe in der Regel bei Massenentwicklungen ausgelöst wird.

Manche Länder verzichten jedoch aufgrund der anderen – nicht regulierten – Cyanotoxine, die in Gewässern auftreten können, auf microcystinbezogene Richt-oder Grenzwerte und regulieren nur Cyanobakterien (z.B. die Niederlande). In Neuseeland sind Schwellwerte für Cyanobakterienbiovolumen von maximal möglichen Toxinkonzentrationen pro Biomasse abgeleitet.

Die WHO hat 2021 in ihrer neuen Ausgabe von Toxic Cyanobacteria in Water ein dem der UBA-Empfehlung ähnliches Überwachungsschema vorgeschlagen: es bietet den Einstieg alternativ oder ergänzend sowohl über leicht zu beobachtende Indikatoren der Cyanobakterienbiomasse als auch über die Konzentrationen der Cyanobakterientoxine